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Sagen / Märchen in und um Eldena

Ursprünglich ist die Sage (althochdeutsch saga = Gesagtes, Gesprochenes) eine kurze Rede, ein Gerücht oder auch Bericht, die über Jahrhunderte im Volk mündlich weitergegeben wurde. 
Als knappe Erzählung verknüpft die Sage reale Ereignisse, Personen, Orte oder Beobachtungen in der Natur mit rätselhaften, märchenhaften oder magischen Elementen. Obwohl die Sage wie Märchen über Riesen, Zwerge, Hexen oder Teufel berichten kann, unterscheidet sie sich davon, weil sie Anspruch auf Glaubwürdigkeit erhebt. Außerdem hat die Sage meistens einen wahren Ausgangspunkt, zum Beispiel ein geheimnisvolles Ereignis, das mit Hilfe der Sage weiter getragen, erklärt oder gedeutet werden soll. 
Die Sage tritt nahezu bei allen Völkern auf, wobei die Figuren und Geschehnisse dem jeweiligen Kulturkreis entsprechen.

Die Spukbrücke bei Eldena.

Auf dem Wege von Eldena nach Bresegard kommt man über einen kleinen Bach, dessen Brücke den Namen spöoken Brügg' trägt, oder schlechtweg ›Spööken‹. Auf dieser Brücke soll es nicht recht geheuer sein, weil sich dort bisweilen des Nachts ein Ochse zeigt, der Niemanden die Brücke passiren läßt. Die Sage von der Entstehung dieses Spukes ist folgende:

Von Bresegard ging ein Mädchen des Nachts nach Eldena zu ihren dort wohnenden Eltern. Ein junger Bursch aus Bresegard wollte ihr einen Schreck einjagen, zog sich zu dem Ende eine Ochsenhaut über den Kopf und kauerte auf der Brücke nieder. Das Mädchen, das keine Furcht kannte, kommt an die Brücke, sieht die Ochsengestalt und ruft ihr zu ›Wist mal trügg!‹ ›Trügg ga ik nich, ik ga blot vörwarts,‹ lautet die Antwort. Da zieht das Mädchen einen neben der Brücke stehenden Pfahl aus der Erde und als auf nochmalige Aufforderung das Gespenst nicht weichen will, schlägt sie demselben zwischen die Hörner und das Gespenst fällt in den Graben. Das Mädchen geht darauf nach Eldena, erzählt ihren Eltern davon und als man am andern Morgen nachsieht, findet man den Bresegarder Burschen todt im Bach. Sein Geist aber soll seit der Zeit noch öfters in Gestalt eines Ochsen auf der Brücke sich zeigen.

Der eiserne Stuhl in Eldena.

In der Gegend von Dömitz lebten einst drei Brüder von Quitzow, der eine wohnte in Eldena, der andere in Wendisch-Wehningen, der dritte in Dömitz. Einmal verfeindeten sie sich und der Ritter von Wendisch-Wehningen wurde von den beiden andern bekriegt und gefangen. Sie banden ihn auf einen eisernen Stuhl, gaben ihm nur harte Brotrinden zu essen, aber nichts zu trinken. Sie hofften, er werde verdursten, aber nach vierzehn Tagen lebte er noch. Da bat er seine Peiniger, ihm statt der Rinde die weiche Krume zu geben, dann müsse er verdursten. So geschah es und er starb nach wenigen Tagen.

Der eiserne Stuhl wird noch in dem Eldenaer Kirchthurm aufbewahrt.


 

Seminarist F. Kreutzer aus Dömitz.

Die Hexe von Eldena

In Eldena, einem großen, der Elde nahe gelegenen Kirchdorfe des südwestlichen Mecklenburgs, trieb um die Moskowiter Zeit eine bitterböse Hexe ihr arges Wesen. Dem Einen wurden die Kinder krank und auch die erfahrensten Frauen des Dorfes wussten weder Ursache noch Namen der Krankheit anzugeben; ein Anderer ward in jeder Nacht vom Alp gedrückt;* dem Dritten ward sein bestes Pferd im stillen Stehen hinkend; dem Vierten fraß die Sau die Ferkel auf; dem Fünften wollte das Brauen und Backen, dem Sechsten der Korn- und Flachs-Bau nicht geraten; kurz, es geschah so viel und mancherlei Unheil im Dorfe, dass auch ein Blinder sehen konnte, wie hier nicht Alles mit rechten Dingen zugehe.

* Das „Alpdrücken" bezeichnet die platte Sprache durch „Mort-Rieden." Nach der Vorstellung des Volks ist „de Mort" ein marderartiges, auf den Hinterbeinen gehendes, schwarzes Tier, das der Teufel den Hexen zu Gebot stellt. Diese lassen es zur Nachtzeit auf Menschen reiten, die wachend im Bette liegen, sie umklammern und die Beängstigten mit solcher Gewalt drücken, dass die Spuren des Drucks sich oft am Morgen noch durch blaue Flecke am Leibe zeigen. Und, was das Schlimmste war, so wollten auch die besten Mittel hier nicht anschlagen, wodurch man sonst doch die Hexen sich vom Leibe hält.

„Schulzenmutter“ hatte eine Menge „witten Ohrand“* zwischen die Milchschalen und ins Butterfass gelegt, aber dennoch hatte sie lange oder blaue Milch, oder auch schmierige Butter. Der Krüger hatte mitten in der Altjahrsnacht von sieben verschiedenen Holzarten die nötigen Reiser zum „Hexenbesen" geschnitten und all sein Vieh vom Kopf bis zu Füßen damit abgekehrt, aber trotz dessen blieben ihm Kälber tot, und Kind und Rind war von oben bis unten mit Läusen besetzt. Die Küstersfrau hatte ihrem neugeborenen Kinde mit einer Erbscheere den „Käkelriemen"** geschnitten, auch Teufelsdreck in die Wiege gelegt, und des Kindes Nabelschnur, in einem Hemdezipfel gewickelt, zur Kirche tragen lassen, aber dessen ungeachtet wollte der Junge durchaus nicht saugen, und sog auch nicht, sondern hungerte sich schier zu Tode. Natürlich war mehr als das halbe Dorf darnach aus, der unheilbringenden Hexe unter die Kunde zu kommen. Doch wollte das lange Zeit nicht glücken. Zwei Weiber im Dorfe mit lahmen Beinen, buckelichten Leibern und „Leckaugen" waren allerdings verdächtige Subjekte. Denn mit denen, welche der liebe Gott gezeichnet hat, pflegt es gewöhnlich nicht ganz richtig zu sein und vor solchen muss man sich hüten.

***) *) Weißer Ohrand, eine Feldblume, wahrscheinlich eine Art campanula – ein Hauptmittel gegen alle Behexung. **) Zungenband ***) Das Sprichwort sagt: „Hör sick Ener vör son’, de Gott tekent hett.“ – „Hüte sich Einer vor solchen, die Gott gezeichnet hat.“ Überdies war des einen Weibes Nase spitz, wie eine Schuster Ahle, und: „spitz Nähs und spitz Kinn, doa sitt de Düwel in*)

Indes dieses Mal waren diese Wahrzeichen denn doch nur trügliche Zeichen, wie sich am nächsten Sonntage nach Mainacht ergab. Unterschiedliche Personen waren an diesem Tage zur Kirche gegangen mit Eiern in der Tasche, die in der Walpurgisnacht von schwarzen Hühnern nicht gelegt, sondern die ihnen aus dem Leibe genommen worden waren. Die beiden verdächtigen Weiber waren auch zugegen. Allein unter dem priesterlichen Segensspruche zeigte sich weder Topf, noch Scheffel, noch Butterfass auf ihrem Kopfe, in welcher Kopftracht sie doch den Eierleuten hätten erscheinen müssen, wenn sie wirklich Hexen gewesen wären. Sie waren aber ehrliche Christenleute, wie anderer eins, das wurde nun wohl hieraus klar; doch über die Dorfhexe blieb man immer noch im Dunkeln stecken, und diese trieb ihr schlimmes Wesen nach wie vor zum großen Schrecken der Dorfbewohner. *) „Spitze Nase und spitzes Kinn, da sitzt der Teufel drin."

Da kam abermals Walpurgisnacht ins Land, in der die Hexen zum Blocksberg reiten, und ungesäumt wurde nun die „Hexenprobe" vorgenommen. In Mitten der Nacht zogen Zwillingsbrüder ein Paar neue Eggen aus Kreuzdornen von einer und derselben Stätte aus, der Eine rechts, der Andere links ums Dorf. Wo beide Brüder zusammentrafen, wurden die Eggen aufrecht gegen einander gestellt, so dass das ganze Dorf umeggt war, den geringen Raum ausgenommen, der zwischen den aufgestellten Eggen lag. Über einen Acker, der auf solche Weise geeggt ist, kann keine Hexe und selbst der Teufel nicht hinweg. Folglich musste auch das mehrbesagte Teufelsweib, wenn es bei ihrer Heimkehr vom Blocksberge ins Dorf zurück wollte, jedenfalls unter die aufgestellten Eggen durch und musste von den danebenstehenden Zwillingsbrüdern gesehen werden. Allein sei es nun, dass die Brüder irgend ein Versehen bei ihrer Arbeit begingen, wodurch die Kraft des Mittels geschwächt ward, oder auch, dass diese Allerweltshexe selbst gegen die wirksamsten Mittel immer noch ein Gegenmittel zur Hand hatte, genug, die Brüder standen bis zum Aufgang der Sonne bei ihren Eggen und sahen keine Hexe hindurch ziehen. Natürlich stieg die Angst vor diesem bösen Weibe immer höher, und als nun selbst ein Schäfer in der Nachbarschaft gewonnen ward, gegen die schlimme Hexe anzuarbeiten, ein Mann dessen Meisterschaft im „Hexenbannen" weit und breit bekannt war, dessen Kunst und Mühe aber in diesem Falle auch nicht das Geringste fruchten wollte, da ließ es sich mit Händen greifen, man habe es hier nicht mit einer gewöhnlichen Hexe, sondern so zu sagen mit des Teufels eigener Großmutter zu tun. Doch: „ken Köter löpt negen Joar dull, he löpt all' vehl ihrer an"*) und: „der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht."

Der Großknecht eines Bauern im Dorfe schlief mit dem Ochsenjungen in ein und demselben Bette. Der Knecht lag hinten im Bette und der Junge musste vorne liegen, hatte also die Bettseite inne, welche die bösen Geister am liebsten anfechten. Am Maitagsmorgen nun, als beide Schläfer wach wurden, war der Junge wie gebadet im Schweiß und sein Herz klopfte wie ein Lämmerschwanz. „Hans”, sprach er nur einigermaßen zu Odem gekommen, „mir ist, als sei ich in dieser Nacht ein Pferd gewesen, und als habe die Hausfrau sich meiner zum Reiten bedient." „Du träumst!" fuhr dieser ihn an; „Du dummer Junge wirst unsere Hausfrau doch nicht zu den bösen Weibern zählen wollen, die in dieser Nacht den Blocksberg bereisten? Darum schweig! sag ich Dir, und halte das lose Maul!" Der Junge wollte aber nicht, blieb fest und steif dabei, die Nacht über in Hexenhand gewesen zu sein, so dass Hans, wenn auch Stillschweigen ihm auferlegend, das Ding doch für verdächtig hielt und sich's wohlweislich hinter die Ohren schrieb, bis die Mainacht des nächsten Jahres herbeikam. In dieser Nacht nahm er die vordere Seite des Bettes ein und ließ den Jungen hinten schlafen. Der Junge schlief auch bald ein, aber Hans suchte sich wach zu halten, um abzusehen, ob auch in diesem Jahre die Hausfrau einen Ritt zu machen gesonnen sei. Und kaum, dass ein halbes Stündchen verlaufen war, da öffnete sich leise die Kammerchor und auf den Zehen schleichend trat die Hausfrau ein, einen Zaum in der Rechten und in der Linken eine Peitsche haltend. Hans richtete sich sofort empor und schickte sich an, ihr den unerbetenen Besuch gehörig einzutränken. Allein er hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht und nicht das Sprüchelchen genugsam in Acht genommen: „hinter'm Berge wohnen auch Leute." Die Hexe machte nicht viel Federlesens mit ihm; sie packte ihn an, warf im Umsehen den Zaum ihm über die Ohren, und plötzlich sah er sich in einen stattlichen, schwarzen Hengst verwandelt. Nun merkte Hans wohl, wie schlimm es sei, sich mit Hexenweibern einzulassen, hätte sich wohl gerne aus der Geschichte gezogen, aber da wollte weder Sträuben noch Bäumen, weder Springen noch Schlagen helfen; mit kräftiger Linke hatte die Hexe die Zügel gefasst, im Nu schwang sie sich auf ihn, bearbeitete den Widerspenstigen mit scharfen Peitschenhieben und fort gings im sausenden Galopp über Stock und Stein, durch Rusch und Busch zum Blocksberge hin. *) „Kein Hund läuft neun Jahre toll, er läuft schon viel eher an." Der starke Ritt hatte die Reisenden ungewöhnlich früh auf des Berges Höhe gebracht. Ringsum herrschte noch tiefe Stille und noch war die Geisterstunde nicht angebrochen, als bei einem Hollunderstrauch angehalten und des Rostes Zügel festgeschürzt ward. Hier stand nun der dampfende Gaul und fand Zeit genug, sich abzukühlen und nebenbei Betrachtungen über sein unergötzliches Schicksal anzustellen. Inzwischen aber ward es lebhaft in der Luft. Ein Pfeifen und Sausen ließ sich hören, wie wenn ein Hagelwetter heranstürmt, und mit dem Schlage zwölf Uhr sausten aus allen vier Winden unzählige Hexen herbei, mit losgebundenen Haaren und fliegenden Röcken, auf Besenstielen oder Ofengabeln, Feuerzangen oder Dreschflegeln, Ziegen oder Ziegenböcken reitend.

*) Mit ihnen kam auch der Teufel angefahren und zwar in seiner natürlichen, unverstellten Gestalt. Ein weiter, blutroter Mantel umhüllte die starken Glieder des langen Leibes, ein spitziger, mit Hahnenfedern gezierter Hut bedeckte das grimmige Haupt. Aus dem Hute guckte ein Hörnerpaar, lange Krallen ragten aus den Fingerspitzen, aus dem bocksledernen Beinkleide aber, ein Krähenfuß und ein Pferdefuß hervor. Des Bösen schwarzes Antlitz mit dessen tierischer Schnauze beschien eine gelblich-grüne Flamme, die seinem aufgesperrten Maule entfuhr, und als der Flamme Schwefelgeruch zu der Nase unsers Hansen drang, da war ihm ganz und gar nicht wohl zu Sinne; er hätte wohl Alles darum gegeben, an der Stelle des guten Ochsenjungen zu sein.

*) Das Ziegenvieh ist Lieblingsvieh der Hexen. Vormals hielten die Bauern der hiesigen Gegend zwischen dem übrigen Vieh im Stalle immer auch eine Ziege oder lieber noch einen Ziegenbock, als Schutzmittel gegen die Viehbehexung. Kam dann eine Hexe in den Stall, so wählte sie ihr Lieblingstier, die Ziege oder den Bock, ritt darauf und ließ das übrige Vieh ungeschoren. Nach dem mecklenb. prakt. Wochenblatte von 1841, St. 39, soll dieser Aberglaube noch heutzutage in einzelnen Gegenden Württembergs gang und gebe sein. Doch nicht lange währte es, da wehten, statt der höllischen Schwefeldämpfe, die lieblichen Gerüche von kalter Schale, Reisbrei, Pfannkuchen und Grapenbraten ihn an. Feurige Drachen schleppten eine solche Menge von diesen köstlichen Speisen herbei, als wohl auf zehn großen Hochzeiten nicht würde verzehrt worden sein. Unserem Hans ward der Mund über die Maßen darnach wässern, aber wie sehr ihn auch gelüstete, er musste seinen kecker unbefriedigt lassen und hatte nur das Huschen davon, wie die Hexen allzumal um ihren sauberen Schutzpatron sich scharten, sich labten und gütlich taten allermeist. Sie aßen und tranken, spielten unter Lästern und Fluchen auch Karten und Würfel dabei, wohl an die zwei Stunden lang, und als alle nun des Teufels Garküche weidlich zugesprochen, dazu sich vollgesoffen hatten bis obenauf, da gab der Teufel das Zeichen zum Aufbruch; mit Saus und Braus erhob sich der wilde Schwarm, und Fiedel, Pfeife und Bassgeige ließen jetzt ihre muntern Töne unter dem wirren Getöse hören und spielten zum Tanze. Der Teufel selbst führte den Reigen an und hatte zur Ehrendame die böse Hausfrau aus unserem Dorfe erwählt. Ihm folgten die übrigen Hexen, Paar bei Paar in wilder Hast sich kräuselnd, wie wenn der Wirbelwind mit Federn spielt, und Tänze aufführend der mannigfaltigsten Art: „Lang engelsch, Schottsch, drei und vier-türig, Grotvarer-Danz, Klappwalzer, Katt un Mus, Grot Schändör”, zuletzt eine große Rückel-Reih."*) *) Lang englisch — eine Art langsamen Walzers.,— Schottisch, drei und vier tourig, Großvater-Tanz, Klatsch-Walzer, Katze und Maus, Große Chaine durch — eine Art Francaise, — zuletzt ein großer Rücken-Reigen." Als Alle nun sich heiß und satt getanzt, auch ein gut Teil der Nacht vorüber war, wurde mittlerweile der erste tagverkündende Hahnenschrei gehört, und Alles schickte sich alsbald zur Abfahrt an. Zuerst zog der Teufel von dannen, auffahrend mit großem Geräusch, als flögen Tausende von Gänsen und Enten davon und auswerfend einen dicken und langen Qualm, als habe der Böse schon damals eine Dampffahrt in der Luft betrieben, wie wir sie jetzt auf der Elbe haben. Ihm nach machten auch die Hexen sich auf und zogen ihre Straße heim, und mit ihnen auch die Hausfrau auf ihrem stattlichen Hengste. Ihr gleich war keine der Hexen beritten. Sie tummelte ihr prächtiges Ross mit mehr Geschick, als heutzutage mancher junge Reitersmann vor dem Fenster seiner Herzgespielin zeigt. Doch weil allmänniglich bekannt ist, wie Paraderitter mitunter eben so unfreiwillig als unsanft ihres Rittertums entsetzt zu werden pflegen, so fanden sich hier der warnenden Stimmen mehrere, die allen Ernstes die kühne Reiterin ermahnten, vor Schimpf und Schaden sich zu wahren. Allein ihr kecker Sinn verachtete das und sicher und unbesorgt, als habe sie hinter'm Ofen auf dem Großvaterstuhle Platz genommen, ritt sie wohlgemut den Blocksberg hernieder. Der Weg führte durch ein klares, tiefes Wasser, das am Fuße des hohen Berges floss. In diesem Wasser hielten die Hexen an, das sämtliche Vieh hier zu tränken, Abschied von einander zu nehmen und dann mit doppelter Schnelligkeit der Heimat zuzueilen. Die unvorsichtige Hexe hatte bei dieser Gelegenheit die Zügel gänzlich aus den Händen gelassen. Dies gewahr werdend und mit gewaltiger Kraft einen mächtigen Bockssprung vollführend, war dem Hengst die Sache eines Augenblicks, und, plumps! da lag die Hexe, so lang sie war, im Wasser. Ein Schütteln des Kopfes ließ auch den bösen Zaum ins Wasser fallen, und siehe, mit dem Fall desselben war der Zauber gelöst, und statt des Hengstes stand unser Hans da in seiner leibhaftigen Gestalt. Unterdes hatte die Hexe sich aufgerafft und wollte eben den Zaum ergreifen. Hans aber kam ihr mit flinker Hand zuvor, riss ihn an sich und warf ihn über den Kopf der Hexe. Da stand nun die Frau Lisel vor ihrem Hans, durch ihren eigenen Zauberzaum urplötzlich zur prächtigen schwarzen Stute geworden, so verblüfft schier, wie die Kuh vor dem neuen roten Tor steht. Aber Hans war just der Mann dazu, ein frisches Leben in ihre Glieder zu bringen. Er sah sich unverweilt nach einem schwanken Haselstocke um, schwang dann sich auf ihren breiten Rücken und sprach ihr auf so handgreifliche Weise frischen Mut zu, dass Ross und Reiter vorwärts stürmten, als wollten sie an einem Tag die Welt umjagen. Bei dieser großen Anstrengung konnte es nicht fehlen, sie wurden beide müde und matt. Darum, als schon ein guter Teil des Weges zurück gelegt worden war, sah Hans sich aufs Sehnlichste nach einem Krughause um und freute sich nicht wenig, da er ein solches nahe am Wege fand. Er hielte an und erquickte sich hier nach Herzenslust durch ein frisches, süßes, dickes Bier. Schon wollte er fürbaß reiten, als ihm der Einfall kam, weil der Weg nach Hause doch noch ziemlich lang sei, zum besseren Fortkommen sein Pferd beschlagen zu lassen. Der Krüger war zugleich auch Schmied. Man ging also unverweilt ans Werk, und vier tüchtige Eisen wurden der Stute angepasst. Beim Aufnageln derselben gebärdete sie sich so empfindlich fast, als werde ihr eine türkische Bastonade*) zu Teil. Doch wohlgebremst und in den Notstand der Schmiede gezwängt, musste sie schon stille halten, bis sie die Eisen wohlbefestigt unter den Beinen hatte. *) Bastonade: Fußsohlenschläge, eine bei den Türken gebräuchliche Strafe. Hans machte sich nun wiederum auf, ritt, dass die Funken aus den Steinen stoben, und kam ohne Fährlichkeit im Dorfe an, so früh,, dass hier noch Alles im guten Schlaf war. Vor der Hand wusste er nichts Besseres anzufangen, als die Stute in den Stall zu jagen, sich selbst aber zum Ochsenjungen ins warme Bett zu legen. Am Morgen aber, als Alles wach ward und zu Beinen, kam, fehlte es an der Hausfrau. Sie sei krank, hieß es, und hüte das Bett. Noch kränker ward sie am folgenden Tage, so dass die Frauen der Nachbarschaft herzukamen, Beratungen über die Krankheit anstellten und bald darüber einig wurden, hier helfe kein Mittel mehr, die Krankheit sei zum Tode und Zeit sei es, den Geistlichen herbeizurufen, dass er die Kranke zum Sterben bereite. Doch als auf diesen Mann Gottes die Rede kam, da regte sich in der bösen Frau ein so böser Geist, dass Allen angst und bange ward. Sie winselte und wand sich und konnte keinen Frieden finden, sie lästerte und fluchte und sprach verwirrte Worte, ihr Haar sträubte zu Berge, ihr Auge rollte wild umher, ihr Gesicht verzerrte sich fürchterlich und unter einem Krachen im Hause, wie wenn das ganze Haus zusammenstürze, fuhr die sündige Seele zum Teufel hin, der vor dem offenen Stubenfenster als schwarze Krähe sich blicken ließ. Nun trat auch Hans herzu und berichtete, wes Geistes Kind die Tote sei, und zur Bestätigung dessen, was Hans erzählte, fand die Totenkleiderin vier blanke Hufeisen auf Händen und Füßen des Leichnams liegend. Auch war der Körper leicht geworden, wie ein Federsack, zum Zeichen, dass der Teufel, da er die Seele nahm, auch des Leibes Blut gesogen habe. Von jetzt an war Ruhe und Sicherheit im Dorfe.

                                        

Diese Geschichte aber erzählte man sich von Kind zu Kindeskind, zum warnenden Exempel für Jung und Alt, dass wer mit Teufelswerken umgeht, der fällt zuletzt mit Leib und Seele dem Teufel als sichere Beute zu.

Quelle: http://www.lexikus.de/bibliothek/Die-Hexe-von-Eldena-bei-Grabow

Die alte Burg Gorlosen bei Eldena

Da, wo jetzt die gorlosener Schmiede steht, erhob sich früher die feste und mächtige Burg Gorlosen. Außer gewaltigen, starken Mauern und Wällen, war sie rundum auch noch von Wasser umgeben, auf der einen Seite von der alten Elde, auf den andern drei Seiten aber von tiefen und breiten Wallgräben. Nur eine einzige Brücke verband diese also gebildete Insel mit dem festen Lande, die aufgezogen wurde, sobald sich Gefahr zeigte. Auch führten zwei verborgene unterirdische Gänge von der Burg ins Freie, der eine unter die Elde hindurch nach ihrem jenseitigen Ufer, der andere aber nach dem nahen, zur Burg gehörenden Weinberge — eine noch heute unter diesem Namen bekannte beträchtliche Anhöhe zwischen Gorlosen und Bök. Der letzte adlige Besitzer der Burg Gorlosen war; wir die meisten seiner Vorbesitzer, ein Raubritter und Wegelagerer erster Klasse, der im Verein mit den ihm eng befreundeten und verbündeten Raubrittern von Eldenburg und Stavenow die ganze Gegend weit und breit unsicher machte, und sie oft in Gemeinschaft mit diesen sengend und raubend durchzog. Auch hatte er, damit ihm nichts entgehe, unter der nahe seiner Burg gelegenen Eldebrücke, über welche die Landstraße führte und auch noch heute führt, einen Draht, der mit einer in seinem Schlafgemache befindlichen Glocke in Verbindung stand, so angebracht, dass bei der leisesten Berührung der Brücke die Klingel ertönte und sie Niemand unbemerkt passieren konnte. Einst hatte auch der Raubritter von Gorlosen mit Hilfe seiner beiden sauberen Kumpane den lübeckschen Bischof gefangen genommen und hielt ihn längere Zeit über in harter Haft bei Wasser und Brot, ohne dass des Bischofs Freunde ihn befreien konnten. Da nahm sich endlich der gorlosener Fischer des armen Gefangenen an. Während der Nacht bei seiner Beschäftigung mit Fischen und Schilfschneiden nahte er sich dem hart an der Elde liegenden Burgverließ, befreite den Bischof, verbarg ihn unter Schilf in seinem Kahn und fuhr auf der Elde nieder, nach dem preußischen Dorfe Krienitz zu. Der wachsame Burgherr aber bemerkte bald die Flucht und setzte den Beiden nach. Der Anhöhe gegenüber in den gorlosener Wiesen, nicht fern von Krienitz, die noch heute „de Bischofsuhrt"*) heißt, wurde der Bischof wieder ergriffen. Der wütende Ritter ließ ihn nun auf die Anhöhe bringen, ihn völlig entkleiden, an Händen und Füßen binden und den ganzen Leib mit Honig einschmieren. In solchem Zustande blieb der Unglückliche den Qualen des Ungeziefers, des Hungers und Durstes ausgesetzt, bis der Tod seinen Martern ein Ende machte. Als auch diese grausame Tat ruchbar wurde, da erfolgte endlich für diese und seine unzähligen andern räuberischen Gewalttätigkeiten, besonders an reisenden Lübecker Kaufleuten verübt, die Achterklärung**) des gorlosener Ritters. *) Der Bischofsort. **) Acht hieß im alten deutschen Recht die landesherrliche Erklärung, wodurch derjenige über den sie ausgesprochen worden war aller bürgerlichen und staatlichen Rechte und Ehren, mithin jeglichen Schutzes der Gesetze, sowie aller seiner Habe und Güter verlustig, also für gänzlich vogelfrei erklärt wurde, so dass Jeder einen solchen ungestraft umzubringen das Recht hatte. Die Mecklenburger und Lübecker verbanden sich nun, rückten mit einer großen Heeresmacht von der strafenen Seite her gegen die Raubburg und belagerten sie. Dies geschah gerade zu einer Zeit, da sich des Ritters Weib in Kindesnöten befand. Die verzweifelte Gegenwehr ihres Gatten verzögerte aber die Einnahme seiner Burg, so dass es ihm möglich wurde, sich mit Weib und Kind durch den unterirdischen Gang nach dem Weinberge hin zu retten und in ein fernes Land zu fliehen, wo er aber bald darnach in größter Armut und Elend umgekommen ist.

Quelle: http://www.lexikus.de/bibliothek/Die-alte-Burg-Gorlosen-bei-Eldena

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